Das verflixte 3. Jahr: Was ich vor der Selbstständigkeit gerne gewusst hätte

Das verflixte 3. Jahr: Was ich vor der Selbstständigkeit gerne gewusst hätte

14. Januar 2024
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Manche Texte rutschen in irgendwelche Ordner, obwohl sie an die Luft gehören. Vorstandsmitglied Sybille Fischer hatte nach 3 Jahren Selbstständigkeit aufgeschrieben, wie es ihr ging – mit Steuern, KSK und Co. Nach 10 erfolgreichen Jahren als Unternehmerin, ist es Zeit, ihre frühen Erfahrungen hervorzuholen und mit allen zu teilen, die frisch selbstständig sind. Denn was Sybille erlebt hat, kennen viele von uns: Überforderung, Überraschungen und Erkenntnisse fürs Leben.

Mai 2017: Vergangene Woche fühlte sich meine Selbstständigkeit an wie ein schwarzes Loch. Ihr fieser Sog zog mir die Schuhe aus, köpfte mein Selbstbewusstsein, drohte mit Genickbruch. Und das, obwohl alles gut läuft. Eigentlich. Mitte 2014 habe ich mich mit 27 selbstständig gemacht – eher durch Zufall als aus Prinzip. Seitdem waren meine Bücher in keinem Monat leer, mein Mailfach immer voll, meine To-do-Liste niemals endlich. Und doch hat es mich fast erwischt, dieses verflixte 3. Jahr. Man liest davon, man hört davon und trotzdem: Diese Dinge hätte ich gerne vor meiner Selbstständigkeit als Freie Texterin und Konzepterin gewusst.


Do it like Dagobert Duck: Bade in Geld

Dagobert Duck hat’s schon immer gewusst: Man muss auf seinem Geld sitzen, in ihm baden. Jahrelang. Es horten, zählen und – anders als die Geld-Ente – bloß nicht als sein eigen betrachten. Denn nach rund 3 Jahren macht es „Bäm!“. Dann kracht es gewaltig im Briefkasten: Die Steuererklärung für das Vorvorjahr trifft ein, die Vorauszahlungen steigen, die Krankenkasse ruft nach saftigen Nachzahlungen. Und der Steuerberater? Der rechnet schon einmal die Nach- und Vorauszahlungen für das Vorjahr, das laufende Jahr und, und, und aus.

Der Grund: In den ersten Jahren der Selbstständigkeit als Texterin oder Texter basiert vieles auf (meist vorsichtigen) Schätzungen: Einkommenssteuer, Krankenkassenbeiträge, Rentenversicherung. Erst nach etwa drei Jahren lichtet sich der Nebel aus Vermutung und Vermögen. Der tiefe Kassensturz tut weh – und bringt viele Selbstständige ins Wanken. Ich stehe noch, Dagobert-Duck-Syndrom sei Dank.

Erkenntnis 1: Die ersten Jahre der Selbstständigkeit entscheiden über Scheitern oder Schaffen. Ein Geschäftskonto, ein Steuerprofi und Rücklagen zu bilden ist wichtig. Von Anfang an.


Mehr verdienen heißt nicht (immer) mehr haben

Kein Kerl, keine Kinder, keine Kosten? Da lacht das Herz der Steuerkasse. Denn ein Singleleben katapultiert dich auf die Spitze in Sachen Steuersatz. Und oben ist die Luft bekanntlich dünn. Wenn man dann auch noch als Texter:in, Konzeptioner:in oder anderweitiger Kreativling unterwegs ist und abgesehen von einigen Kunden-Kaffee-Runden und zwei Stapeln Druckerpapier kaum absetzbare Kosten hat, steigt mit jedem Euro Umsatz auch der Steuersatz (grob gesagt).

Erkenntnis 2: Mehr zu ackern heißt nicht immer mehr Geld am Ende der Steuererklärung. Es gibt eine Schwelle, an der du dich fragen darfst, was mehr wert ist: Freizeit oder Umsatz?


KSK, oh ja? Oder: Die Sehnsucht nach einer Schublade

Was bin ich und wenn ja, warum? Bin ich Beraterin oder Publizistin, Kunst oder Kommerz? Sobald du es mit der Künstlersozialkasse (KSK) und der Deutschen Rentenversicherung zu tun bekommt, verstehst du, wie wichtig Schubladendenken ist. Denn nur, wenn du aus Sicht der KSK ganz und gar in eine Schublade passt, hast du die vollen Vorteile (= die KSK übernimmt den Arbeitgeberanteil an deiner Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung). Passt du nur mit einem Fuß ins System, kann es zum Beispiel sein, dass du keine Entlastung bei der Krankenversicherung erhältst, dafür aber teilweise zurück in die Rentenversicherungspflicht rutscht. Egal, ob du und dein Finanzprofi bereits einen ganz anderen (= rein privaten) Versorgungsplan ausgeheckt habt.

Bei der freiwilligen Arbeitslosenversicherung geht es für freie Texterinnen und Texter um die nächste Schublade: Sicherheitsfan oder Freiheitsjunkie, „Ja, ich zahle“ oder „Nein, ich spare“? Denn innerhalb von 3 Monaten deiner Selbstständigkeit ist die Entscheidung fällig, ob ein monatlicher Pauschalbetrag in die Arbeitslosenversicherung fließt oder du alleinverantwortlich vorsorgst. Für den Fall des Fallens.

Erkenntnis 3: Die KSK ist eine coole Idee, kann aber auch als „komplizierter Club“ rüberkommen. Zumindest, wenn du viele verschiedene Projekte und Kompetenzen abrechnest. Letztlich ist es eine Pflichtversicherung, wenn du die Voraussetzungen erfüllst. Hier erfährst du mehr über die Voraussetzungen der KSK.


Die teure Selbstständige, das teure Leben

Noch ein paar Gedanken fürs Phrasenschwein: Man braucht als Texter:in und Konzeptioner:in schon ein dickes Fell, wenn die Kunden beim Tagessatz munkeln, wie gut man es doch habe, wie üppig. Dann halte ich die Luft an, damit es nicht lossprudelt: Versicherungen, Ausstattung, Arbeitsplatz, Urlaub, Krankheit, Rente! Zahlt mir keiner, zahle ich.

Denn nichts ist umsonst. Vor allem nicht deine und meine Lebenszeit. Der Deal ist: Ideen gegen Geld, Freiheit statt Sicherheit. Und Wochenenden sind heilig. Wenn man wie ich für Ideen bezahlt wird, ist es schlicht und einfach geschäftsschädigend, so viel zu arbeiten, dass keine Ideen mehr übrig sind. Deshalb: Ciao WhatsApp-Chats mit Kunden, bye-bye Mails auf dem Privathandy. Ich bin am Montag wieder für euch da.

Erkenntnis 4: Erwarte nicht, dass andere verstehen, was es bedeutet, selbstständig zu sein. Du bist es, du kannst es. Schweige und genieße.


Traue anderen – und vor allem dir selbst

Wer Entscheidungen trifft, trägt Verantwortung. Klingt logisch? Ja. Aber manchmal würde man als Solo-Selbstständige gerne blind vertrauen, die Verantwortung abgeben, nur so ein ganz kleines bisschen. Doch: Expert:innen für Finanzen, Steuern, Versicherungen, you name it, sind auch nur Menschen, sie haben geniale Ideen, sie machen Fehler. Dazu kommen noch Gesetzesänderungen, Unschärfen und Auslegungssachen.

Erkenntnis 5: Die Empfehlungen anderer sind Gold wert, aber prüfe alles. Doppelt, dreifach, vielfach. Hole dir weitere Meinungen ein, vernetze dich mit anderen Selbstständigen. Denn am Ende ist es dein Business, dein Popo.


Feier die Erfahrung

Das Fazit der Geschichte? Selbstständigkeit ist eine fantastische Schule fürs Leben, auch nach 10 Jahren noch. Ich persönlich bin einfach so reingerutscht in dieses Abenteuer als selbstständige Konzeptionerin und Texterin. Und liebe die Freiheit, lebe meine Neugier und meine Talente. Auch jetzt, wo ich dies veröffentliche, gibt es noch endlose Dinge, die ich nicht weiß. Die noch auf mich warten, mich überraschen, überfordern, überwältigen – und sehr oft glücklich machen. Nichts ist größer als die Erfahrung selbst.


Achtung, alle Tipps und Erkenntnisse dieses Artikels sind subjektiv und basieren auf eigenen Erfahrungen sowie Gesprächen mit anderen Selbstständigen. Der Text ersetzt keine Beratung von Profis für Steuern, Finanzen und Co.

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